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Gesellschaftsvertrag mit Leben füllen! Ein Offener Brief an Präsident Waldimir Putin

22. Juli 2003
Übersetzung von Jens Siegert

Übersetzung von Jens Siegert

Sehr geehrter Wladimir Wladimirowitsch,

nach einer fast zehnjährigen Phase sozialer und wirtschaftlicher Erschütterungen hat Russland endlich angefangen Stabilität zu gewinnen. Doch unsere gemeinsame Hoffnung, dass diese Entwicklung nachhaltig sein könnte, wurde durch die Ereignisse der vergangenen Wochen zerstört. Diese Ereignisse werden von vielen Menschen als der Versuch aufgefasst, das Eigentum in Russland erneut umzuverteilen, und als Bedrohung für die demokratische Entwicklung des Landes angesehen. Dadurch besteht die Gefahr, dass alle konstruktiven Bemühungen der Staatsmacht ebenso wie der Gesellschaft zunichte gemacht und die noch zarten Grundlagen für ein stabiles wirtschaftliches Wachstum, für sozialen Frieden und ein Aufblühen Russlands zerstört werden. Die Willkür, mit der wirtschaftliche und zivile Initiative, unternehmerische und politische Freiheit unterdrückt werden, kann Russland erneut in eine Situation zurückdrängen, in der Kapital und die rührigsten Menschen das Land verlassen. Ohne beides hat unser Land keine Zukunft.

Diese Ereignisse haben uns – Vertreter von Kleingewerbe, des Mittelstandes, der Großindustrie und von NGOs – vereint und wir wenden uns gemeinsam an Sie mit konkreten Vorschlägen.

Unserer Ansicht nach braucht das Land dringend einen neuen Gesellschaftsvertrag. In diesem Vertrag verpflichtet sich der Staat, die Veränderungen des vergangenen Jahrzehnts zu stärken, das heißt unter anderem, die demokratischen Institute und die Ergebnisse der Privatisierung zu schützen. Auf der anderen Seite übernehmen die Wirtschaftsverbände und ihre Mitglieder soziale und ethische Verpflichtungen. Darunter verstehen wir die Transparenz wirtschaftlichen Handelns ebenso wie gemeinsame Anstrengungen, die Korruption zurück zu drängen, ehrlich Steuern zu zahlen und sich an der Lösung von sozialen Problemen zu beteiligen. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist durch die Annahme der „Charta für korporative Ethik“ bereits geschehen. Die Institute der Zivilgesellschaft sind bereit, ihren Beitrag zum Abschluss eines solchen Vertrags zu leisten und seine Einhaltung zu garantieren.

Während der Vertrag ausgearbeitet wird, sind wir bereit, ein Forum russischer Unternehmer auszurichten, auf dem die gesamte Wirtschaft vom Kleinunternehmer bis zum großen Konzernvertreten sein soll und zu dem auch NGOs eingeladen werden sollen, die ganz unterschiedliche Interessen vertreten. Auf diesem Forum sollen die Strategie der wirtschaftlichen und Sozialen Entwicklungen Russlands diskutiert und praktische Maßnahmen beschlossen werden, eine nachhaltige Entwicklung wirtschaftlichen Wachstums einzuleiten.

Allerdings hat Aufbauarbeit nur dann langfristig eine Chance, wenn es gelingt, die Willkür und Einschüchterungen zu stoppen und wieder Stabilität herzustellen.

Wir rechnen mit Ihrer Unterstützung für unsere Initiativen:

  • A. Wolskij, Russische Union der Industriellen und Unternehmer (RSPP)
  • S. Borisow, Vereinigung des Klein- und Mittelgewerbes „OPORA Russlands“
  • W. Fadejew, kommissarischer Vorsitzender „Delowaja Rossija“

Für den Runden Tisch von NGO „Narodnaja Assambleja“:

  • L. Aleksejewa, Moskauer Helsinki Gruppe
  • A. Ausan, Institut Nationales Projekt „Gesellschaftsvertrag“
  • B. A Simonow, Stiftung zur Verteidigung von Glasnost

Dossier

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